Utz Korbinian, monoperspektivischer Erzähler von AFFEKT, »funktioniert« und hat für seine Umwelt nur Spott übrig. Die Herde, der Durchschnitt: Das sind die anderen. Utz’ Leben ist bestimmt von der Frage: Was kann die Welt für mich tun? Familie, Freund- und Liebschaften besitzen keinen emotionalen Wert – sie sind rentabel oder nicht. Mit Trennungen geht er um wie mit Pressemeldungen über Tod und Terror: zur Kenntnis nehmen, Tab schließen.
Seine Indifferenz wird auf die Probe gestellt, als sein Großvater stirbt. Mit seiner Cousine, dem einzigen Familienmitglied, zu dem er Kontakt pflegt, reist er nach Prag, um der Trauerfeier zu entgehen. Nur um festzustellen, dass in unmittelbarer Nähe zu einem anderen Menschen seine so geschätzte Unverbindlichkeit nicht aufrechtzuerhalten ist. Wer sich mit Menschen umgibt, ist herausgefordert. Für jemanden, der seine Umwelt verdächtigt, ihn um seine Eigenständigkeit bringen zu wollen, ein unmöglicher Zustand. Es kommt zum Bruch. Einem ersten, dem weitere folgen.
Teilnahmslosigkeit als Lebensstrategie. Das Sich-Verlieren in dünkelhafter Isolation ist kein Phänomen der Neuzeit. Die Hybris der Sich-Abschottenden ist zeitlos – doch verändert sich mit gesellschaftlichen und technologischen Gegebenheiten auch die Art und Weise, wie Ansichten gebildet und ausgedrückt werden. Die von sekündlich aktualisierten Informationskanälen strukturierte Welt ist Supernährboden für eine maximal selektive Art der Teilhabe und provoziert mit ihrem Überangebot an Meinungen und Informationen eine Form von Trotz, die ebenso selbstgerecht wie selbstschützend ist. Von diesem Trotz trägt Utz sehr viel in sich. Seiner Angst, vergessen zu werden, begegnet er mit einem Trick. Ein Trick namens AFFEKT.
AFFEKT ist keine Kritik am Internet. Oder pädagogisch wertvoll. Oder Entwicklungsstoff. Kein Buch, das sagt: So nicht! Diese Novelle ist eine Finte. Sie ist Angst vor Verbindlich- und Bedeutungslosigkeit zu gleichen Teilen.