Anlässlich Anna Lena Graus Ausstellung »Pequod« im Künstlerhaus Lauenburg, in deren Zentrum ein stark vergrößerter menschlicher Lendenwirbel aus Gips stand, schrieb Dagrun Hintze den Text »Manöver des letzten Augenblicks«. Darin sucht sie nach einer literarischen Übersetzung für die Fragen der Bildhauerin: Sind nicht alle Formen vorläufig oder flüchtig? Was passiert, wenn man Zeit als Kategorie ins Kunstwerk integriert?
»Pequod« heißt das Schiff, auf dem Kapitän Ahab in Melvilles Roman »Moby Dick« dem weißen Wal hinterher jagt – der Walfänger dient als stabiles Vehikel, um durch Wind und Wellen der vollkommenen Projektionsfläche zu folgen, die der Walfisch repräsentiert. Und so findet sich auch die namenlose Protagonistin der Erzählung »Manöver des letzten Augenblicks« auf einem schaukelnden Boot wieder, wobei diesmal kein Wal in Sicht ist. Ihre kurzen Ausflüge ans Land widmet sie der Untersuchung von Maulwurfshügeln und besucht gelegentlich eine Arztpraxis. Vor allem aber versucht sie, Widerstand zu leisten gegen die Logik des Festlands: »Du warst auf deinem Boot und schautest nach innen und außen zugleich. Du warst auf deinem Boot, für immer auf der Suche nach flüchtigen Formen, die niemals abgeschlossen und endgültig sein würden. Du warst auf deinem Boot, und alles, alles war gut.«
Reagierte Dagrun Hintzes Erzählung »Manöver des letzten Augenblicks« auf die Ausstellung »Pequod«, so ist die Bildstrecke, die Anna Lena Grau für das gemeinsame Künstlerbuch komponierte, nun eine Reaktion auf den Text. Der visuelle Essay versammelt Bilder aus den letzten zehn Jahren, die man sonst eher nicht zu sehen bekommt: Fotos aus dem Atelier, das sich bei Grau manchmal auch an der frischen Luft befindet, Fotos von Wasser in wechselnden Zuständen, Fotos von verschiedenen Formwerdungs- und Verformungsprozessen, von Metamorphosen.
Text und Bild gehen miteinander eine Suchbewegung ein – in der Hoffnung, dass Moby Dick am Horizont bald wieder auftaucht.