Peter Boué, Alexander Rischer, Gunnar F. Gerlach


Landschaft / Zone


Gunnar F. Gerlach: „Eine andere Welt: reale Fiktion oder fiktive Realität?“ Textauszug: Diese bis in die melancholische Selbstentfremdung reichende Wahrnehmung von kontinuierlichen Krisen innerhalb kultureller und zivilisatorischer Prozesse bleibt stets abhängig davon, wie den Künstlern und den Betrachtern tatsächlich Welt und Wirklichkeit erscheinen: was und wie ist die Realität „wirklich“, und mit welchen geistigen und künstlerisch-handwerklichen Mitteln und Methoden komme ich ihrem zivilisatorisch-kulturellen, eng geschnürten „Gürtel“ auf die Spur? In welchem Raum der subjektiven, inneren Aneignung ereignet sich das scheinbar objektiv gegebene Äußere? Die künstlerische Zwischenantwort als Arbeitshypothese muss zudem sinnliche Erscheinung und geistige Reflexion in Eins setzen können und darf dabei die prozessuale Geschichtlichkeit nicht verdrängen. Insofern sind die Materialien, Mittel, Methoden und Themen von beiden Künstlern bewusst gewählt: Die Zwiegesichtigkeit von Wahrnehmung und Welt als Spiegel einer Wirklichkeit, der nur durch eine „Dialektik der Aufklärung“ näher zu kommen ist, der Landschaft als Metapher politisch-historischer Verhältnisse im Wechselspiel der Trias von Natur, Kultur und Kunst, die dem Schwindel und der Täuschung verbunden sind. Rätselhafte Bildwelten und Science Fiction-Visionen erscheinen als Mittel der Vergegenwärtigung des sehr schmalen Grades zwischen Realität und Surrealität, die als künstlerische Methode eingesetzt werden. Die Bildwerke der beiden Künstler tragen dieser Erkenntnis auf je spezifische Weise Rechnung: kultur- und kunsthistorisch, philosophisch und politisch. Peter Boués nahezu schwarze Fettkreidezeichnungen betonen neben einem elementaren Zweifel an den Medien, in denen wir etwas „sehen“, das Inkommensurable der vermeintlich natürlichen, historisch gewordenen und kulturellen Realität. Der „Jupitermond“ erscheint als Methanlandschaft. Eine kulturhistorische Ruine wie etwa „Pompeji“ könnte auch die Innenansicht eines Maschinenraums sein, eine Flusslandschaft ist ausgetrocknet, leer und öde – wird unter seinen zeichnenden Händen zur bedrohlichen und mit Verschwörungstheorie belasteten „Zone“ (vergleichbar der US-amerikanischen „area 51“). Mit ihrem methodischen Verismus bleibt dabei stets die Skepsis, ob diese „Räume“ wirklich oder erfunden, naturgegeben oder medial gebrochen erscheinen und eigentlich fotografierte Wirklichkeiten sind. In den mittel- bis dunkelgrauen Fotografien von Alexander Rischer verfallen Natur und Kultur in malerisch anziehender und verführerischer Weise; wie in den Zeiten der kunsthistorisch zu belegenden „Ruinen-Romantik“ stürzen die Neuschöpfungen und Bauten direkt ein. Die Sehnsucht erscheint bereits im Verfall, bevor sie auch nur zu einer utopischen Vision werden konnte. Der Kultivierungs- und Zivilisationsprozess ist der „Unheimlichkeit“ und „Un-Heimatlichkeit“ unterworfen. Vergleichbar dem legendären, filmischen „Blair Witch Project“ (1999) scheinen von uns unbemerkte Geister stets alles Erscheinende in Chaos, Ödnis, Verfall und Leere zurückholen zu wollen: die Wäschestücke auf der Leine im Geflecht der verfallenen Bäume wirken wie ein gescheitertes schamanistisches Ritual, und der verfallene Hof in Schlesien aus früheren Jahrhunderten wird von der Natur-Geschichte nach der Enteignung wieder zurückgeholt in die Inkommensurabilität der sozialen, politischen, kulturellen und historischen Evidenzen.

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Peter Boué, Alexander Rischer, Gunnar F. Gerlach

Landschaft / Zone

10,00 Euro

Restexemplare beim Verlag

Maße: 22,0 x 21,5 cm

ISBN: 978-3-86485-076-9

Hamburg 2014

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