Renner, Volker


Eben war noch


Volker Renners Bilder spielen mit den Erwartungen an eine Fotografie. Das Zentrum seiner Aufnahmen ist oft verhüllt oder ausgespart, der Blickwinkel ist ungewohnt, der Hintereingang eines Grand Hotels interessanter als dessen Luxusfassade. Mit den Dingen scheint auch das eigentlich Gemeinte an den Bildrand gerückt zu sein, doch – was ist das Gemeinte? Worauf beziehen sich seine Fotografien? Renner arbeitet in Paaren, Reihen, Serien. Seine fotografische Sammlung umfasst Oberflächenerscheinungen und architektonische Konstellationen, die vom Glauben an die Gestaltbarkeit eines sozialen Miteinanders zeugen und gleichzeitig die Auflösung des öffentlichen Raumes dokumentieren. Die Kategorien, nach denen der Künstler deutsche Randgebiete und urbane Landschaften durchsucht, sind vielfältig, ihre Inhalte überschneiden sich. So folgen manche Bilder einer chronologischen Abfolge. Ein Vorher-Nachher-Effekt liegt ihnen zu Grunde, der sich einstellt, wenn der Künstler die Orte wieder aufsucht, an denen er bereits eine Aufnahme gemacht hat. Ein Sammelgebiet umfasst räumliche, skulpturale Strukturen, dazu zählen etwa die Ansammlungen von Bänken, die verschiedene Formen von Plätzen markieren. Sie stellen Variationen von Bauvorschriften und der Reglementierung von menschlichem Verhalten dar, die schon im Entstehen den Charakter von Ruinen tragen. Manchmal ist es ein gelber Schlauch, der von einem Bild ins nächste führt. Andere Aufnahmen wiederum entziehen sich der gemeinsamen Struktur in dem Moment, in dem man meint, ihr Rätsel gelöst zu haben. Das verbindende Moment der einzelnen Aufnahmen sticht nicht sofort ins Auge. Es ist ähnlich flüchtig wie die Augenblicke, die der Künstler herausgreift, und unbestimmt wie die Orte, an denen es auftritt. In Volker Renners Fotografien verwischen die verschiedenen Zustände wie vorher und nachher, unfertig und aufgegeben, eingenommen und verlassen zu einer Gleichzeitigkeit, die ihnen einen nahezu zeitlosen und allgemeingültigen Charakter verleiht. Sie geben dem Betrachter einen Eindruck von der menschlichen Verfasstheit und doch zielen die Aufnahmen weder auf Vollständigkeit noch auf das Erstellen einer Typologie ab. Sie stellen vielmehr auf humorvolle Weise gerade die fotografische Erfassbarkeit von Wirklichkeit in Frage. Sie weisen darauf hin, dass „die Realität letztlich unklassifizierbar ist“, wie Susan Sontag in Objekte der Melancholie schreibt. Sontag sieht im Fotografieren einen Versuch, Realität „in eine Summe von beiläufigen Bruchstücken“ zusammenzufassen, um auf diese Weise mit ihr fertig zu werden. Das Sammeln und das Sortieren dieser beiläufigen Bruchstücke von Wirklichkeit verfolgt Renner mit seinen Fotografien. Indem er sie nebeneinander stellt, legt er die Ordnungssysteme frei, die unseren Lebensraum bestimmen, und macht die Sehgewohnheiten sichtbar, nach denen wir versuchen, sie uns verständlich zu machen und mit Bedeutung zu füllen. Stephanie Bunk raum für photographie

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Renner, Volker

Eben war noch

ca 80 Seiten

19,00 Euro

Restexemplare beim Verlag

ISBN: 978-3-941613-77-5

Hamburg 2011